Rheinland-Pfalz für ein Atomwaffenverbot – weltweit

von: Heidi Kassai

Begonnen hat alles am 7. Oktober 2017 mit einem Interview mit der Allgemeinen Zeitung Mainz. Einen Tag davor hatte ICAN den Friedensnobelpreis bekommen. Die Chefredakteurin wollte unbedingt wissen, wie wir arbeiten und warum wir diesen Preis bekommen haben. Eine halbe Seite mit einem großen Farbfoto setzte eine ganze Reihe von Folge-Interviews in Gang. Im Schlusssatz meines Interviews äußerte ich einen Wunsch: Ich würde gerne mit der Ministerpräsidentin Malu Dreyer sprechen. Dieser Wunsch wurde mir am 13. Dezember 2017 tatsächlich erfüllt! Zusammen mit Sascha Hach kam ich mit Frau Dreyer ins Gespräch. Ab diesem Zeitpunkt standen mir die Türen zu den wichtigsten Bildungs-Portalen in Rheinland-Pfalz offen!

„Learning by Doing“ war jetzt angesagt, zu allen Anfragen „Ja“ sagen und Springen – ins Ungewisse, ins Unerprobte. Unterschiedliche Gruppen aus der Gesellschaft luden mich ein, Vorträge zu halten. Ich konnte öffentliche Auftritte proben, Expertise entwickeln, meine Kenntnisse erweitern.

Besonders begeistert hat mich die Bildungsarbeit und meine Einbindung in das Angebot „Globales Lernen“, durch das ich als Referentin in Schulen und für Lehrer*innenfortbildungen angefragt wurde. Wichtig war mir, das Wissen um die humanitären und umweltbezogenen Folgen von Nuklearwaffen an die nächste Generation weiterzugeben.

Außerdem führte ich Dialoge mit Politiker*innen aus Rheinland-Pfalz über Frieden und nukleare Abrüstung. Einmal durfte ich sogar einen Vortrag vor hunderten Aktionär*innen der Commerzbank in den Frankfurter Messehallen halten, um deren Investitionen in Atomwaffen offenzulegen und anzuklagen!

2019 unterzeichnet Marburg den Städteappell.

2017 lud die Stadt Mainz alle ICAN-Partnerorganisationen ins Rathaus ein, um uns als Friedensnobelpreisträger*innen zu ehren. Zwei Jahre darauf folgte die erste Unterschrift für den ICAN-Städteappell durch den Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling. Ein grandioser Anfang, dem sich 140 weitere deutsche Städte anschlossen. All dies war nur möglich, weil wir Aktivist*innen vor Ort gute Beziehungen in die Stadt- und Landespolitik pflegten.

Auch Potsdam schließt sich 2019 an.

2019 wurde ich in den Landtag von Rheinland-Pfalz eingeladen. Das Thema? Nukleare Abrüstung – natürlich! Ich nahm zwei Friedensaktivist*innen mit, Roland Blach und Elke Koller. Eine der dort anwesenden Abgeordneten sagte mir später, es sei seit langer Zeit nicht mehr so still im Raum gewesen.

Kurz danach wurde ich erneut in den Landtag eingeladen. Diesmal ging es um den Atomwaffenverbotsvertrag. Xanthe Hall sagte mir sofort: „Da musst du hin“. Ich war zu dieser Zeit in Lindau, bei der Konferenz der „Religions for Peace“. Xanthe schickte mir die Friedensnobelpreismedaille per Eilzustellung und ehe ich mich versah, saß ich im Zug auf dem Weg nach Mainz. Zwei Friedensaktivistinnen, Elke Koller und Beate Koersgen, begleiteten mich. Dann kam der Höhepunkt: Der rheinlandpfälzische Landtag beschloss, die Ziele von ICAN zu teilen und eine Welt ohne Atomwaffen anzustreben. Er forderte seine Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für eine deutsche Unterzeichnung und Ratifizierung des UN-Vertrags über das Verbot von Nuklearwaffen einzusetzen.

Welch eine sensationelle Botschaft! Ohne das Engagement von uns Aktivist*innen, so die Ministerpräsidentin, könne das Ziel der nuklearen Abrüstung nicht erfolgreich umgesetzt werden. Ich fühlte mich wie in einem Traum und konnte kaum glauben, dass das gerade wirklich stattfand…

Für uns alle war dieser Beschluss des Landtags ein Meilenstein. Bis heute können wir inhaltlich daran anknüpfen. Denn Rheinland-Pfalz spielt eine zentrale Rolle: hier sind seit Jahrzehnten US-Atombomben stationiert, in dem kleinen Ort Büchel in der Eifel. Die Bundesregierung, als Verfechterin der nuklearen Teilhabe, trägt dafür die Verantwortung.

ICAN-Protest in Büchel.

Bisher haben vier Landesregierungen die Bundesregierung dazu aufgefordert, sich für die deutsche Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags einzusetzen und die Ziele ICANs zu unterstützen. Weitere werden hoffentlich folgen.

Mir ist durch mein Engagement klar geworden: Frieden und Abrüstung werden uns nicht geschenkt. Wir können dafür kämpfen und sollten nie die Hoffnung verlieren, dass wir eines Tages gewinnen.

 

Heidi Kassai wohnt in Bingen, in der Nähe von Mainz. Sie ist seit Anfang 2015 bei ICAN engagiert.

 

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